Heidelberg aktuell     vom September 2017

Heidelberg aktuell 2017-9


Stadtblatt Heidelberg vom 20. September 2017

Stadtblatt


Begrüßungsansprache zur Auftaktveranstaltung am 21. September 2017

Liebe Anwesende, liebe Mitwirkende, liebes Publikum,

wir möchten Euch bzw. Sie zur Auftaktveranstaltung des 3. Literaturherbstes sehr herzlich begrüßen.

Nachdem Heidelberg im Dez. 2014 Unesco City of Literature geworden ist, hat sich eine schon längere Zeit regelmäßig treffende Gruppe Literaturinteressierter überlegt, wie Schreibende, Übersetzende, VerlegerInnen aus unserer Region sich dem hiesigen Publikum präsentieren bzw. vorstellen könnten. Irgendwann hatten wir die Idee, direkt nach den Sommerferien, aber eine Woche vor dem umtriebigen Heidelberger Herbst eine Art Lesefestival mit vielen Mitwirkenden an verschiedenen Orten in unserer Stadt zu organisieren. Damit uns z. B. das Kulturamt. unterstützen kann, musste ein Verein gegründet werden, in dem der neben mir stehende Lothar Seidler und ich seit 2015 den Vorsitz haben: er als Allround-Talent: Verleger, Übersetzer, Autor, als erfahrener Vorsitzender der seit über 25 Jahren existierenden „Literatur Offensive“, ich als eine Art Literaturaktivistin, noch Autorin und ehemalige germanistische Lehrkraft. Zum Organisationsteam (es gibt jedes Mal 1 Jahr lang viele Orga-Treffen, unzählige Mails und Telefonate, bis alles steht) gehören noch etliche andere engagierte Menschen, die sich jetzt einfach einmal erheben oder nach vorne kommen könnten.

Bei jedem LiteraturHerbst gibt es an die 30 Veranstaltungen an vielen Orten Heidelbergs zwischen Karlstor, Neuenheim, Weststadt, Stadtbücherei mit sehr buntem Programm und ganz unterschiedlichen Mitwirkenden, die ich jetzt bitten möchte, sich ebenfalls einmal zu erheben und sich dann freundlich lächelnd dem Publikum zuzuwenden.

Wir freuen uns sehr, den Brentano-Preisträger von 2007 Clemens Meyer zur Eröffnungsveranstaltung begrüßen zu dürfen und sind gespannt auf ihn und seine Geschichten aus seinem neuen Erzählband: „Die stillen Trabanten“.

Mich berührt seine Anwesenheit besonders, da ich mich ganz entfernt verwandt mit ihm fühle, denn ich bin in Magdeburg geboren und habe meinen Migrationshintergrund ein Leben lang stets im Bewusstsein und im Lebensgefühl behalten.

                                                                                                        Gabriele Lohmann


Rhein-Neckar-Zeitung vom 23. September 2017

Clemens Meyer


Rhein-Neckar-Zeitung vom 25. September 2017

Wenn Bücher zu Kindern werden

Verlage der Stadt stellten sich im DAI vor – Von Delhi bis Kapstadt

Lokale Buchmesse angestrebt

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Frauenpower beim Heidelberger Literaturherbst: Im DAI diskutierten (v.l.) Regina Wehrle (stehend), Ursula Gramm, Claudia Rink, Inka Bankwitz (Moderation), Bettina Weiss und Marie Goldschmidt über die vielfältige lokale Verlagsszene.

Foto: Friederike Hentschel

Von Heribert Vogt

Kleine Verlage ganz groß – zumindest was die inhaltliche Weite ihrer Bücher betrifft. Diesen Eindruck hatte man bei einer Diskussionsveranstaltung beim 3. Heidelberger Literaturherbst im DAI, bei der Frauen aus fünf örtlichen Verlagen über ihre Arbeitswelt sprachen. Denn die dort entstandenen Titel reichen von Delhi in Indien bis Kapstadt in Südafrika. Aber nicht nur darauf waren die Teilnehmerinnen stolz, sondern auch und in erster Linie auf ihre anspruchsvollen Programme. Zudem macht es den Verlagsfrauen Freude, wertvolle Produkte herzustellen und zu vermitteln. Einen besonderen Schub haben auch die kleinen Verlage durch den Status Heidelbergs als Unesco City of Literature erhalten, in deren Netzwerk ihnen eine stärkere Sichtbarkeit zuwächst. Geträumt wird von einer lokalen Buchmesse.

Moderiert wurde die Diskussion von Inka Bankwitz, der Regionalsprecherin der Rhein-Neckar BücherFrauen. Zu den Gesprächsteilnehmerinnen zählte Regina Wehrle vom veranstaltenden Mattes Verlag mit dem Schwerpunkt Wissenschaft und Sachbuch. Für den auf Übersetzungen indischer Literatur und Südasien spezialisierten Draupadi Verlag, der auch deutsche Romane veröffentlicht, war Ursula Gramm dabei. Den Kurpfälzischen Verlag mit regionalen Titeln vertrat die Verlegerin Claudia Rink, und Bettina Weiss nahm für kalliope paperbacks mit Afrikabüchern teil. Die Fünfte im Bunde war Marie Goldschmidt für den Morio Verlag – sie reiste von Halle an, denn Morio ist ein Imprint des Mitteldeutschen Verlags.

Konkrete Schlaglichter auf die Verlage warfen die Buchfrauen mit ihren Lieblingsbüchern. Hier nannte Regina Wehrle (Mattes) den Titel „Quintessenz. Essays zur englischen und amerikanischen Literatur“ des früheren Heidelberger Anglisten Rudolf Sühnel. Ursula Gramm (Draupadi) entschied sich für das Buch „Die Mauern von Delhi“ mit zwei Erzählungen des indischen Hindi-Schriftstellers Uday Prakash, während Claudia Rink (Kurpfälzischer Verlag) auf den jüngst erschienenen Titel „Stolpersteine in Heidelberg“ über Opfer der Nazizeit verwies.

Sodann führte Bettina Weiss (kalliope) das von ihr auch übersetzte Buch „Begegnung mit einer Vergessenen“ an, den Debütroman der Kapstädter Autorin Anne Schuster über zwei Frauen. Zuletzt hob Marie Goldschmidt (Morio) die Reihe deutscher Erstübersetzungen hervor, in der nach Titeln von Arthur Conan Doyle und James Matthew Barrie für 2018 ein Reisebericht der „Frankenstein“-Autorin Mary Shelley geplant ist.

Es ist klar, dass es Kleinverlage im umkämpften Buchmarkt nicht leicht haben. Bettina Weiss liefert mit kalliope eine „One-Woman-Show“, in manchen Verlagen ist man zu zweit oder man arbeitet mit freien Mitarbeitern. Da können keine großen Zahlen zustande kommen, Bettina Weiss etwa hat in dreizehn Jahren 15 Titel publiziert. Diese Einzelkämpfer sind im Prinzip für alles zuständig, von der Manuskriptannahme bis zum Druck, vom Lektorat bis zu Vertrieb und Werbung. Aber gerade diese ganzheitliche Betreuung eines Buches macht für die Verlagsfrauen den Charme ihrer Arbeit aus: Die Bücher werden so zu „Kindern“.

Die dennoch grundsätzlich gefährdet sind. Das beginnt mit der Finanzierung der Titel, für die neben den Verkaufserlösen auch Sponsoren- oder andere Fördergelder eingeworben werden müssen. Immerhin ermöglicht es der Digitaldruck, erst einmal mit kleinen Auflagen im dreistelligen Bereich zu beginnen. Dann waren technische Entwicklungen wie das E-Book oder der freie Internet-Zugang Open Access zu wissenschaftlicher Literatur Thema, aber beide Phänomene spielen für die Kleinverlage offenbar eine untergeordnete Rolle. Und so lautete der Grundtenor: Wir leben in Heidelberg noch auf einer „Insel der Seligen“ mit etwa 40 Verlagsadressen, wo Bücher gelesen werden – vor allem jedoch von älteren Menschen.

Im Ganzen hatte man im DAI den Eindruck, dass die Kleinverlage in der Nische eher ihr eigenes konkretes Ding machen als dass sie sich von schwierigen Rahmenbedingungen einschüchtern lassen. Und in dieser Position nutzen sie Messen, Medien oder auch die Internetadresse „LovelyBooks.de“ für ihre Zwecke. Auch mit dem von Moderatorin Inka Bankwitz ins Spiel gebrachten feministischen Ansatz, demzufolge die Buchbranche zwar mit 80 Prozent Frauen eine weibliche sei, ohne dass sich dies jedoch in den Führungspositionen widerspiegele, konnten die Diskutantinnen in ihren überschaubaren Arbeitsdimensionen nicht viel anfangen, weil dort für Quoten überhaupt kein Platz ist.

Vielmehr scheint in diesem Segment für beide Geschlechter gleichermaßen oft Selbstausbeutung angesagt – aber immerhin eine, die Spaß macht.

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